Möbelfabrik Zwahlen
Neben den beiden Firmen Hoffmann und Selve, die im Umfeld der Militärbetriebe entstanden, gab es in Thun einige wenige grössere Unternehmen in anderen Branchen. Dazu zählte eine Möbelfabrik: Der Tapezierer Friedrich Zwahlen (1844–1927) eröffnete 1866 ein Möbelgeschäft im Bälliz. Dort produzierte er Bettwaren und Möbel, seine Frau verkaufte sie im eigenen Laden. Die Firma florierte und Zwahlen erweiterte die Produktion zu einem Fabrikbetrieb, wo bis zu 45 Arbeiter tätig waren. Die Produkte verkaufte er um 1900 an Hotels, Spitäler und Heime in der ganzen Schweiz. Eine eigene Wasserturbine lieferte ab 1895 den Strom für die Maschinen. Zwahlen zählte um 1900 zu den reichsten Thunern und bezeichnete sich als Fabrikant. Er beteiligte sich 1878 an der Gründung des Handwerkervereins und gehörte ab 1885 dem Gemeinderat an. 1896–1901 amtierte er als Gemeindepräsident. 1923 übergab Zwahlen das Geschäft seinem Mitarbeiter Alfred Scharnhorst (1876–1966), der es unter seinem eigenen Namen weiterführte. 1950 ging die Firma an die nächste Generation über, 1972 stellte diese die Produktion ein, drei Jahre später wurde das Fabrikgebäude abgebrochen. Von 1871 bis zirka 1910 betrieb Zwahlen zudem das Bällizbad mit einer Speisewirtschaft. Hier, an der inneren Aare gegenüber der Möbelfabrik, genossen Soldaten und weitere Kunden gerne ein warmes Wannenbad.26
Briefkopf der Firma von Friedrich Zwahlen, 1895. Im Fabrikgebäude im Bälliz 40 produzierte Zwahlen Betten und weitere Möbel, die er erfolgreich in der ganzen Schweiz verkaufte.
Im Gebäudekomplex Bälliz 33 (oben rechts) befanden sich die Verkaufslokale mit strassenseitigen Schaufenstern. Auf der Rückseite, der Aare zugewandt, lag das Bällizbad.
Vor dem Ersten Weltkrieg zeichneten sich die grössten Thuner Industriebetriebe durch ein auffallendes gemeinsames Merkmal aus: Keiner ihrer Gründer stammte aus Thun. Auch der Entscheid für die Schaffung der Militärbetriebe kam von aussen. Die alteingesessenen Gewerbler und Handwerker waren am industriellen Aufbruch Thuns zwischen 1860 und 1914 nicht als entscheidende Akteure beteiligt; Auslöser dieser wirtschaftlichen Entwicklung war die Armee. Die Rüstungsbetriebe und der Waffenplatz stellten ab den 1890er-Jahren über die Hälfte aller Industriearbeitsplätze und machten Thun bereits damals zur Militärstadt. Die Gründe für die passive Rolle der Einheimischen bei Industriegründungen sind unklar. In Bern war die Entwicklung jedoch ähnlich, dies ganz im Gegensatz zu Zürich. Möglicherweise war es für vermögende Thuner Familien attraktiver, in den Tourismus statt in die Industrie zu investieren.27