Aare- und Brunnenwasser, Holz und Sickergruben
Die Aare spielte in Thun bis weit ins 19. Jahrhundert hinein eine wichtige Rolle bei der Wasserversorgung. Lange gab es in der Stadt nur ein paar öffentliche und private Sodbrunnen (Grundwasserbrunnen) und die zwei Brunnen auf dem Schlosshügel. Der Rathausbrunnen, der 1711 erstellt wurde, war der erste Brunnen mit fliessendem Wasser unten in der Stadt, bis 1870 folgten mit dem Plätzlibrunnen beim Lauitor und dem Decibrunnen in der Hauptgasse lediglich zwei weitere Fliessbrunnen. Damit sie sauber blieben, war es verboten, an den Brunnen schmutzige Gegenstände wie Gemüse, Kartoffeln, Fuhrwerke oder Fenster zu waschen. Die Thuner Behörden liessen 1869 die Wasserqualität der vier öffentlichen Sodbrunnen untersuchen. Das Resultat: Sie war bei allen miserabel, denn das Wasser enthielt Schwebstoffe, Ammoniak und Salpetersäure. Besonders stark kontaminiert war das Wasser des Berntorbrunnens. Deshalb liess der Gemeinderat hier eine Tafel anbringen, die vor schlechtem Trinkwasser warnte.
In vorindustrieller Zeit war Holz die zentrale Energieressource. Die Thunerinnen und Thuner bezogen es bei Holzhändlern, es war aber auch häufig Bestandteil von Besoldungen. Um 1855 beispielsweise erhielt ein Lehrer der Bürgerschule zusätzlich zum Lohn jährlich «2 Klafter Tannenholz und eine Doppelbänne Torf zum Haus geliefert».53 Die Burger bekamen ein bestimmtes Quantum Brennholz und Torf aus den Wäldern und Mooren der Burgergemeinde. Torf wurde als Brennmaterial eingesetzt, um die stadtnahen Wälder zu schonen. Überdies beschafften die Holzhändler Brennholz von der Kiley-Alp im Diemtigtal, die bis 1862 der Burgergemeinde gehörte, und flössten es nach Thun. Nach dem Bau der Eisenbahn verlor das Holz als Energieträger an Bedeutung, weil nun fossile Brennstoffe kostengünstig importiert wurden. Ab den 1860er-Jahren besassen immer mehr Haushalte einen Herd aus Metall, der mit Kohle und Koks befeuert wurde. Diese Brennmaterialien waren bei diversen Händlern und im Gaswerk Thun erhältlich.
Lange war es nachts in den Städten dunkel, so auch in Thun. Erst ab 1781 erhellten Öllaternen, die an quer über die Gassen gespannten Ketten hingen, mehr schlecht als recht den öffentlichen Raum.
In den Wohnungen kamen Kerzen und Öllampen zum Einsatz. Das Aquarell von Johannes Knechtenhofer zeigt den Thuner Rathausplatz und das Zunfthaus zu Pfistern (heute Hotel Krone), um 1830.
Im 19. Jahrhundert produzierten die Haushalte wenig Abfall. Das meiste davon war kompostierbar und wurde zusammen mit den Exkrementen in Sickergruben entsorgt. Waren diese voll, verkauften die Besitzer den Inhalt als Dünger an die Bauern der Umgebung. Um den Gestank möglichst gering zu halten, waren die Gruben mit dicken Brettern zugedeckt. Sie wurden nur nachts geleert und der Inhalt musste sofort abtransportiert werden. Zudem durfte man in Thun kein Abwasser auf die Gassen oder in die Aare kippen. Verboten war auch das Ausklopfen von Decken durch jene Fenster, die sich über einer Strasse befanden, und es war untersagt, «eckelhafte Gegenstände, so wie todte Thiere auf die Strassen oder in die Aare zu werfen».54
In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entdeckten Wissenschaftler, dass sich manche Krankheiten über infiziertes Trinkwasser verbreiteten. Damit gerieten die Sickergruben in Verruf: Weil die Städte immer dichter bebaut wurden, drang Schmutzwasser aus den Gruben in das Grundwasser und in Sodbrunnen ein. Gleichzeitig definierte die Politik nun die Pflege der Volksgesundheit als eine wichtige Aufgabe der Gemeinwesen. Dazu gehörte die Bereitstellung von sauberem Trinkwasser und eine von der öffentlichen Hand finanzierte Abwasser- und Abfallentsorgung.55