Theater spielen und besuchen
Schon im 17.Jahrhundert kam die Bevölkerung Thuns in den Genuss von Theatervorstellungen: Der Arzt Johannes Rubin (1648–1720) verfasste mehrere Komödien, welche 1680 in der Bächimatt und 1696 auf der Allmend zur Aufführung gelangten, vermutlich unter seiner Regie. Die Stadt übernahm die Kosten für das Aufstellen der Bühne und entrichtete dem Dichter beide Male für die Inszenierung 50 Pfund, «da er jedermann darmit erfreut».45 Die Darsteller, «Personen aus den vornehmsten Kreisen der Burgerschaft», wurden ebenfalls von der Stadt entlohnt.46 Es scheint, dass die dramatische Kunst im 18. Jahrhundert gänzlich aus Thun verschwunden war. Ab 1812 gastierten Wanderschauspieltruppen und gelegentlich Schauspielensembles aus Bern in der Stadt. Die Aufführungen fanden anfänglich in der Kaserne im Bälliz, später im Saal des Gasthofs Falken statt. 1826 wurde, wie damals in anderen Schweizer Kleinstädten auch, «von jungen Leuten beider Geschlechter»47 eine Liebhabertheatergesellschaft gegründet. Der Erlös der Vorstellungen kam den Armen zugute. Wegen häufiger Probleme und Differenzen – einmal fehlte der Regisseur, ein andermal der Hauptdarsteller, oder jeder wollte selbst die Hauptrolle übernehmen – löste sich die Gesellschaft bald wieder auf.
Der Männerchor Frohsinn führte 1932 mit weiblicher Unterstützung im Saal des 1961 abgebrochenen Gasthofs Sädel beim Berntor das Liederspiel «Die Trommel ruft» auf. Im Stück von Hans Schär (1889–1966), Kapellmeister des Chors und Progymnasiallehrer, ging es um das Landsknechtleben im 16. Jahrhundert.
In Städten wie Biel und Solothurn entstanden eigene Spielstätten – das Stadttheater Solothurn wurde ab Mitte des 19. Jahrhunderts als Dreispartenhaus mit Schauspiel, Oper und Ballett betrieben. In Thun hingegen wurde nie ein Stadttheater gegründet. Für Theatervorstellungen sorgten auswärtige Theaterensembles, die in den Sälen der Hotels gastierten, und verschiedene Vereine. So führte beispielsweise der Männerchor Thun 1876 die «Murtenschlacht» auf, schaffte sich dafür Kostüme an und lieh diese später an andere Vereine aus. Nach dem Zweiten Weltkrieg war vor allem die 1923 gegründete Kunstgesellschaft Thun (KGT) für Theaterabende besorgt. Zwar hatte sie bereits in den 1930er-Jahren fast jedes Jahr mindestens ein Gastspiel organisiert, doch erst 1963 erhielt die darstellende Kunst mit der Erweiterung der KGT um die Sparte Theater wieder mehr Gewicht. Von nun an fanden jährlich acht bis zehn Gastspiele statt, vorerst im Kino Scala und in der Schönau-Aula in Steffisburg, ab 1987 in der neuen Aula des Gymnasiums in Thun. Heute dient das KKThun als Spielstätte.
Ausschnitt aus dem Werbeflyer für das Stationentheater «Wir sind so frei», eine Produktion des Vereins SchlossSpiele zur Feier «750 Jahre Stadtrechte», 2014.
Der Autor des Stücks, Matto Kämpf (geb. 1970), entführte das Publikum in ein absurd inszeniertes Mittelalter.
Ende 1999 konstituierte sich der Verein SchlossSpiele Thun, der im Sommer 2000 ein erstes Stück, den «Tanz der Vampire», zwischen Stadtkirche und Schlosshof inszenierte. Seither fanden über ein Dutzend Theateraufführungen statt, wobei der Spielort nicht immer der Schlossberg war. So wich man 2003 für den «Besuch der alten Dame» nach Uetendorf aus, um akustische Konflikte mit dem Musical «Evita» der Thunerseespiele zu vermeiden. 2013 erlebte das Publikum das Stück «Die Überfahrt» auf dem Motorschiff Berner Oberland und das Stück «Parzival» von Lukas Bärfuss (geb. 1971) wurde 2016 in der alten Schadaugärtnerei inszeniert.48