Banken
Anfang des 19.Jahrhunderts setzte in der ganzen Schweiz eine Welle von Sparkassengründungen ein. 1826 riefen 126 Männer die Amtsersparniskasse Thun als Genossenschaft ins Leben, die heutige AEK Bank. Die Initianten wollten Arbeitern, Dienstbotinnen und Kindern die Möglichkeit bieten, ihr Bargeld ab fünf Rappen sicher anzulegen, um im hohen Alter oder in Notlagen von den Ersparnissen zu zehren. Die Spareinlagen waren auf maximal 1600 Franken beschränkt, damit vor allem Leute aus der Unter- und Mittelschicht davon profitieren konnten. Dank vorsichtiger Geldausleihe und sorgfältiger Geschäftsführung etablierte sich die Bank erfolgreich in der Region. 1908 verwaltete sie knapp 15 Millionen Franken Kundengelder und gehörte damit zu den zehn grössten Banken im Kanton Bern. 2015 war sie die sechstgrösste Regionalbank der Schweiz und beschäftigte in rund einem Dutzend Filialen über 140 Mitarbeitende.61
Mit dem Eisenbahnbau und dem Einsetzen der Industrialisierung entstanden in Thun weitere Banken. 1862 eröffnete die Berner Kantonalbank eine Filiale in der Stadt, um das Berner Oberland mit Finanzdienstleistungen und Krediten zu bedienen. 1866 lösten sich die fünf Thuner Zünfte auf und gründeten die Spar- und Leihkasse Thun, um Handwerk und Gewerbe im Amt Thun zu fördern. Seit 1863 existierte zudem die Spar- und Leihkasse Steffisburg, die um 1910 in Thun eine Filiale eröffnete; 2009 wurde sie von der Valiant Bank übernommen.
Erst 1929 entstand mit der Kredit- und Sparkasse Thun eine weitere Bank. Die Initianten stammten aus dem Thuner Gewerbe; die Kasse war als Genossenschaft organisiert und nur im Amt Thun aktiv. 1970 bezog sie ein neues Haus an der Marktgasse und wechselte den Namen zu Bank in Thun. Sie geriet 1990 in Schwierigkeiten und wurde 1991 von der Berner Kantonalbank übernommen.62
Angeführt von der Schweizerischen Bankgesellschaft, eröffneten von 1963 bis Mitte der 1990er-Jahre alle Schweizer Grossbanken und ein halbes Dutzend national tätige Banken Filialen in Thun. Die Banken konzentrieren sich bis heute rund um das Bälliz und den Maulbeerplatz. Ab 1900 errichteten sie teilweise repräsentative Neubauten für ihre Schalter und Büros; als Erste die Spar- und Leihkasse am unteren und die Berner Kantonalbank am oberen Ende des Bälliz.
Für den Thuner Arbeitsmarkt waren die Banken bis weit ins 20. Jahrhundert hinein unbedeutend. In den ersten Jahrzehnten beschäftigten sie bloss nebenamtliches Personal. Die Berner Kantonalbank stellte 1862 einen Geschäftsführer, einen Buchhalter und einen Abwart an. 1908 hatte sie 15 Angestellte; die Spar- und Leihkasse Thun (SLT) zählte damals 16 und die Amtsersparniskasse 3 Angestellte. Die volkswirtschaftliche Bedeutung der Banken darf aber nicht unterschätzt werden. Seit der Gründung des Bundesstaates und durch die Industrialisierung, die auf eine verlässliche Kapitalzirkulation angewiesen war, hatte sich die Geldwirtschaft stark ausgedehnt. Ersparnisse, Gewinne und Vermögen flossen zu den Banken, die das Geld an ihre Kunden ausliehen. So bezogen private Firmen Kredite, Bauwillige bekamen Hypotheken und die öffentliche Hand nahm Anleihen auf, um in die Infrastruktur zu investieren. 2008 waren knapp 400 Personen im Thuner Bankgewerbe beschäftigt, was 1,5 Prozent der Arbeitsplätze entsprach.
Menschentraube vor der Spar- und Leihkasse Thun im oberen Bälliz, 10. Oktober 1991. Die Kundinnen und Kunden warteten vor der Bank, bis sie 500 Franken abheben konnten. Dies war der Höchstbetrag, der angesichts der finanziellen Probleme der Bank ausbezahlt wurde. Die Fotografie von der Menschenansammlung ging in der ganzen Schweiz durch die Medien.
Der Geschäftsgang der Geldhäuser war jeweils stark von der Konjunktur abhängig. Die Krise des Fremdenverkehrs in den 1880er-Jahren brachte zum Beispiel die Spar- und Leihkasse Thun und die Berner Kantonalbank in Schwierigkeiten, weil diese viele Kredite an Hotels im Berner Oberland vergeben hatten. 1991 ging die Spar- und Leihkasse Thun Konkurs, da sie unvorsichtig Kredite an Bauinvestoren vergeben und im Zusammenhang mit den einbrechenden Immobilienpreisen zu Beginn der Bankenkrise grosse Verluste gemacht hatte. Zudem hatte die Bankleitung ab den 1980er-Jahren versucht, sinkende Profite durch eine Wachstumsstrategie zu kompensieren, ohne mehr Personal anzustellen. Die Direktion unterschätzte die Probleme und war zu lange nicht bereit, mit einer grösseren Bank zu fusionieren und sich dadurch retten zu lassen. Tausende von Gläubigern und Kunden der Bank gerieten damit in finanzielle Probleme. Die komplizierte Liquidation zog sich bis 2005 hin. Rund 220 Millionen Franken wurden vernichtet, 6300 Gläubiger mussten 40 Prozent ihrer Forderungen abschreiben.63