Abfallentsorgung
Die Reinigung der öffentlichen Strassen erledigten die Bewohnerinnen und Bewohner von Thun im 19. Jahrhundert zu einem grossen Teil selbst. Wer ein Haus besass, musste am Mittwoch, am Samstag und vor den Festtagen die Strasse vor der Liegenschaft wischen. Ab 1866 sammelte ein Fuhrmann im Auftrag der Stadt die zusammengewischten Haufen ein und nahm auch gleich den Haushaltkehricht mit. Keramik- und Glasscherben musste man separat bereitstellen. 1930 führte Thun in der Innenstadt die staubfreie Abfallabfuhr mit geschlossenen Kehrichtwagen und -kübeln nach dem System Ochsner ein, das sie 1949 auf die ganze Gemeinde ohne Goldiwil ausweitete. Ab 1973 ersetzten Kehrichtsäcke und Container die Ochsnerkübel. Von nun an sammelte die Stadt Glas und Altpapier separat ein und erhob eine Kehrichtgebühr, welche die Kosten für die Sammlung und Beseitigung der festen Siedlungsabfälle voll deckte.
1955–1990 stieg die Menge des Kehrichts in Thun um mehr als das Fünffache an. Ab 1987 baute die Stadt die Separatsammlungen aus und führte 1992 die Kehrichtsackgebühr ein.
Damit gelang es, die Kehrichtmenge zu reduzieren und die Abfalltrennung zu verbessern. Die Gesamtabfallmenge nahm hingegen weiter zu.
Im 20. Jahrhundert vervielfachte sich der Siedlungsabfall, der überdies immer häufiger Stoffe enthielt, die biologisch nicht abbaubar waren und in Deponien abgelagert oder verbrannt werden mussten. Es war nicht einfach, geeignete Ablagerungsplätze in Stadtnähe zu finden, denn diese sorgten oft für Geruchsbelästigungen, Ungezieferplagen, Schwelbrände und verschmutztes Sickerwasser. Bis in die 1960er-Jahre deponierte die Stadt den Abfall auf verschiedenen Ablagerungsplätzen in Allmendingen, im Lerchenfeld, im Dürrenast und im Gwatt. Zum Teil waren es alte Kiesgruben, die man mit unsortiertem Kehricht auffüllte. 1964–1973 benutzte Thun die Deponie Schluckhals in Spiezwiler, danach die Grossdeponie der Abfallverwertungs-AG (AVAG) in Uttigen. Für Bauschutt und Industrieabfälle gab es eine Grube in der Guntelsey. Hier entsorgte auch die Selve 1954–1957 Werkschutt, der teils stark mit Schwermetall belastet war.60
Thun hatte die AVAG 1973 gemeinsam mit zwei Kiesunternehmen und sechs anderen Gemeinden gegründet. Bald schlossen sich zahlreiche weitere Gemeinden an. Die AVAG betrieb drei Deponien und setzte früh auf Abfalltrennung und -recycling. Weil der Anteil von nicht abbaubaren Kunststoffen und weiteren problematischen Abfällen im Kehricht ab 1980 nochmals massiv zunahm, entschied sich die AVAG für den Bau einer regionalen Kehrichtverbrennungsanlage (KVA) auf der Kleinen Allmend in Thun. Diese stiess in der Thuner Bevölkerung auf erbitterten Widerstand, weil man eine hohe Umwelt- und Verkehrsbelastung im Wohngebiet befürchtete. 2001 wies das Bundesgericht alle Beschwerden ab, die KVA konnte gebaut werden und 2003 den Betrieb aufnehmen. Jährlich produziert sie aus über 120 000 Tonnen brennbarem Abfall Strom, der gut 30 Prozent des Strombedarfs der Stadt Thun deckt, sowie Fernwärme für die Militärbetriebe und für einige Wohnüberbauungen und Bürobauten.
Ein Thuner Kehrichtwagen, System Ochsner, kippt 1966 Abfall auf die Deponie Schluckhals in Spiezwiler.
Zu dieser Zeit bestand hier ein Problem mit häufigen Schwelbränden. Fotografie von Hans Dubach.
Das illegale Entsorgen von Abfall war in Thun schon im 19. Jahrhundert gang und gäbe. Wiederholt wies die Polizei in den Zeitungen darauf hin, dass es verboten sei, Schutt, Blech, zerbrochenes Geschirr und Glasscherben in die Aare zu werfen. Wild deponierter Abfall an Waldrändern, im See und in der Aare blieb auch im 20. Jahrhundert ein Problem, das sich 1992 mit der Einführung der Kehrichtsackgebühr vorübergehend etwas verschärfte. Ab den 1980er-Jahren reinigten die Thuner Stadtpolizei sowie Fischereivereine und der Thuner Tauchclub mehrmals den Grund des Lachenkanals und der Aare. Sie förderten dabei auch grössere Gegenstände wie Velos oder Möbelstücke zu Tage. Zur Bekämpfung des Litterings in der Innenstadt und gegen das illegale Entsorgen von Hauskehricht führte Thun ab 2003 Kampagnen durch, beispielsweise unter dem Motto «Fertig gruusig».61