Die Strassen
Um 1887 besass Thun rund 10 Kilometer Strassen, wovon 1,5 Kilometer gepflästert waren. Die Strassen der Aussenquartiere, die Hofstettenstrasse und Teile des Bälliz waren nur mit Kies befestigt. Ab 1903 setzte die Stadt eine Dampfwalze ein, um diese Strassen zu verdichten. Im Sommer wurden sie regelmässig mit Wasser besprengt, damit die Fahrzeuge nicht zu viel Staub aufwirbelten. Nach dem Ersten Weltkrieg mischte das Stadtbauamt chemische Zusätze wie Teeröl oder Chlorcalcium ins Sprengwasser, um die Strassenoberfläche zusätzlich zu verfestigen, was allerdings angesichts des zunehmenden Verkehrs mit schwereren Fahrzeugen nicht genügte. Die Strasse von Thun nach Oberhofen wurde 1916 als Erste im Kanton Bern asphaltiert, die Bällizstrasse 1919 mit einer Oberflächenteerung befestigt.
In der Zwischenkriegszeit war die Schulstrasse im Dürrenast, wie alle Strassen der Aussenquartiere, schmal und nur mit Kies befestigt. Zur Strasse gehörte auch die Grube vor dem Kirchgemeindehaus Markus, die hier etwas von den Bäumen verdeckt wird.
Ihr entnahm man den Kies, der für den Strassenunterhalt nötig war. Als sie erschöpft war, wurde sie in eine Kehrichtgrube umfunktioniert. Fotografie um 1925.
Das Stadtbauamt drängte darauf, auch in den Aussenquartieren die wichtigsten Strassen mit einem Hartbelag zu versehen, weil der Auto- und Lastwagenverkehr sie stark belastete: «Hielt früher eine gute Schotterung durchschnittlich 12 Jahre, so ist sie jetzt in 5 bis 6 Jahren abgenutzt.»40 Um 1943 waren in Thun 8 Prozent der Gemeindestrassen und -trottoirs gepflästert, 3 Prozent betoniert, 28 Prozent mit einem Kiesbelag und 4 Prozent mit einer Oberflächenteerung befestigt. 57 Prozent besassen einen Teerschotterbelag. Für dessen Herstellung wurden Schotter und Teer gemischt, erhitzt und eingewalzt. Dieser Belag war solider als die zu Beginn der 1920er-Jahre übliche Oberflächenteerung, bei der man die Strasse mit heissem Teer begoss, in den anschliessend Kies eingewalzt wurde. Doch erst nach 1945 wurden dank neuer Strassenbaumaschinen solide, stark verdichtete Strassenunterbauten mit mas- siven Bitumenbelägen zur Norm.
Um die Kinder vor Unfällen zu schützen, erteilte die Stadtpolizei Thun seit 1931 Verkehrsunterricht an den Schulen. Ab 1957 übten die Schülerinnen und Schüler im Kinderverkehrsgarten beim Pestalozzischulhaus das richtige Verhalten auf den Strassen.
Die Autos stellte die Firma Shell zur Verfügung. Undatierte Fotografie der Stadtpolizei Thun, Ende 1950er-Jahre.
Damit der Verkehr möglichst reibungslos ablief, wurden schon vor dem Zweiten Weltkrieg Strassen saniert und verbreitert, Brücken verstärkt, Trottoirs und Unterführungen gebaut, Einmündungen abgerundet und Verkehrstafeln angebracht, teilweise auch auf Verlangen der Bevölkerung. In den 1920er- Jahren beispielsweise setzten sich Anwohnerinnen und Anwohner dafür ein, dass das Trottoir der Frutigenstrasse einen Teerschotterbelag erhielt, denn: «Man zieht die Gefahr des Überfahren-werdens dem Gehen auf dem so unzweckmässig bekiesten Trottoir vor und marschiert lieber auf der Strasse. Besonders begreiflich ist dies bei den barfuss gehenden Kindern.»41
Ab den 1950er-Jahren, als der Verkehr immer dichter wurde, häuften sich im Stadtrat verkehrspolitische Vorstösse, die oft auf die räumliche Trennung des Fuss- und Autoverkehrs abzielten und auch tatsächlich Erfolg hatten. Ab 1971 führte die Autobahn durch das nordwestliche Gemeindegebiet. Die Stadt erstellte neue Strassen als Zufahrten zu den zwei Autobahneinfahrten Thun-Nord und Thun-Süd, die zusätzlichen Verkehr vor allem ins Westquartier und ins Neufeld brachten. Weil bis heute der grösste Teil des Verkehrsaufkommens in der Gemeinde Thun hausgemachter Binnenverkehr und stadtbezogener Ziel- und Quellverkehr ist, erfüllte die Autobahn die Hoffnung nur beschränkt, dass sie als Stadtumfahrung funktionieren und das Stadtzentrum von Verkehr entlasten würde.42