Umschlag der blauen Mappe von 1832, die Mannschaftsverzeichnisse und Instruktionen für die Zugführer der Bürgerwache enthält. Die Zeichnung stammt von Johannes Knechtenhofer, der sein Werk mit Symbolen schmückte, die aus der Zeit zu verstehen sind: Die Eule rechts steht wohl für die Weisheit; die Schlange, die unten links aus ihrer Höhle kriecht, ist ein altes jüdisch-christliches Symbol für Falschheit und Verführung. Mit dem «Auge der Vorsehung» über dem idealtypischen Schloss schafft Knechtenhofer wahrscheinlich einen Bezug zur Aufklärung.
Die Thuner Bürgerwachen von 1830 und 1832
Hans KelterbornIm Dezember 1830 beschloss der Kleine Stadtrat von Thun die Bildung einer Bürgerwache, wohl im Hinblick auf die von liberalen Kräften organisierte Versammlung, die im Januar 1831 in Münsingen stattfinden sollte. Die Bürgerwache war also in ihren Anfängen eine Ordnungstruppe der damals noch aristokratischen Regierung. Doch die Mitglieder der Thuner Bürgerwache sympathisierten mit den Liberalen und beabsichtigten, allfällige demokratiefeindliche Unternehmungen des Berner Patriziats und von Teilen der Oberländer Bevölkerung abzuwehren.
Als Oberamtmann Bernhard Alexander Steiger (1774–1858) im Januar 1831 Gerüchte über geheime Militäraufgebote im Oberland dementierte, entschloss sich die Thuner Bürgerwache zu selbständigem Handeln. Sie sicherte das Rathaus und die Stadttore mit bewaffneten Wachen. Die Regierung beorderte inzwischen einen Schlitten mit 5000 bis 6000 Schuss Munition auf das Schloss, was der Bürgerwache nicht verborgen blieb. Kurz vor der liberalen Volksversammlung in Münsingen vom 10. Januar 1831 mobilisierte die Berner Regierung im Oberland Truppen, allerdings mit geringem Erfolg. Mit Wachsamkeit und geladenen Gewehren begegnete die Thuner Bürgerwache der vom Simmental heranziehenden Kompanie Freudenreich, die sie lediglich durch Thun durchziehen liess. Nachdem die patrizische Berner Regierung abgedankt hatte, löste sich die Thuner Bürgerwache am 26. Januar 1831 wieder auf.
Gegen die neue liberale Regierung kam es, vor allem in der Stadt Bern, zu Widerstand, diesmal von Seiten konservativer Bernburger. In Thun wurde Ende Oktober 1832 wiederum eine Bürgerwache aufgestellt. Das Kommando übernahm Johannes Knechtenhofer (1793–1865), der damals Major, Politiker und Hotelbesitzer, einige Jahre später auch Dampfschiffskapitän war. In einer grossformatigen, blauen Mappe hielt er den «Etat der Bürgerwach-Marsch-Compagnie des Amtsbezirks Thun, zusammengesetzt von Mannschaft aus der Kirchgemeinde Thun» fest. Dieses Verzeichnis befindet sich in der Sammlung des Schlossmuseums Thun und enthält die Namen von drei Offizieren, 21 Unteroffizieren, drei Tambouren, einem Zimmermann und 88 Gemeinen (Soldaten) der Gemeinden Thun, Strättligen und Goldiwil. Wohl im Zusammenhang mit dieser Bürgerwache existiert auch ein Plan des Schlosshügels, der ebenfalls von der Hand Knechtenhofers stammt. Er zeigt als Punkte eingezeichnete Schützen und die für jeden von ihnen möglichen Schiesswinkel in Richtung Burgstrasse, Schlossweg und Hohle Messe.10