In Thun gebaut: der Doppeldecker Haefeli (DH-1), der als Beobachtungsflugzeug diente. Fotografie, 1915/16.
Flugzeuge «made in Thun»
Hans KelterbornObwohl schon um 1910 einige Schweizer zu den europäischen Flugpionieren gehörten, verpasste es die Schweizer Armee, sich rechtzeitig vor dem Ersten Weltkrieg für das Flugzeug als modernes Beobachtungsmittel zu entscheiden. Immerhin war in Thun schon die Frage nach einem Militärflugplatz gestellt worden. Die Burgergemeinde war 1913/14 allerdings nicht bereit, dem Bund auf der Burgerallmend umsonst Land abzutreten. Das Problem löste sich von selbst, als Bundesrat Motta im Mai 1914 die Weisung erliess, alle bestehenden Waffenplätze dem Flugwesen zur Verfügung zu stellen.
Kurz vor Ausbruch des Krieges wurde Kavallerie-Hauptmann und Pilot Theodor Real (1881–1971) mit dem Aufbau einer Fliegertruppe betraut. Sie umfasste zu Beginn neun Piloten, die teils mit ihren eigenen Flugzeugen in den Dienst einrückten. Das Manko an Flugzeugen konnte nicht mehr rechtzeitig behoben werden, denn wegen des Kriegsausbruchs im Sommer 1914 wurden die sechs in Deutschland bestellten Flugzeuge zurückbehalten. Im Gegenzug behielt die Schweiz drei deutsche Flugzeuge, die im selben Jahr in der Landesausstellung in Bern ausgestellt waren.
1915 erteilte die Eidgenössische Militärkommission den Konstruktionswerkstätten in Thun (K+W) den Auftrag, Flugzeuge zu bauen und August Haefeli (1887–1960) als Chefkonstrukteur einzustellen. Unverzüglich begann dieser mit dem Aufbau der Flugzeugwerkstatt und entwickelte einen zweiplätzigen Doppeldecker mit offenem Cockpit, einem Doppelrumpf und einem Druckpropeller (DH-1).
Die Piloten der Fliegertruppen fanden wenig Gefallen am DH-1. Auch das Nachfolgemodell DH-2, ein zweisitziger Doppeldecker mit Zugpropeller und einfachem, mit Stoff bespanntem Gitterrumpf, war nicht genehm. Die Truppe bevorzugte die Apparate von Ingenieur Robert Wild aus Uster. Erst Haefelis Weiterentwicklung zum Aufklärungs- und Trainingsflugzeug DH-3 war einigermassen erfolgreich. Nach dem Prototyp eines Jagdeinsitzers (DH-4) folgte noch im selben Jahr der Typ DH-5, der mit der stärksten Motorisierung bereits 180 km / h schnell flog.
Die Flugzeugabteilung der K+W Thun wuchs in wenigen Jahren von 12 auf 150 Mann an. Die Kriegsmaterialbeschaffung brachte der Rüstungsindustrie grosse Aufträge, um die sich scharf konkurrierende private und staatliche Betriebe bewarben. Nach dem Krieg bestand die Luftwaffe aus 68 Flugzeugen mit 81 Piloten; für einen Grossteil der Flugzeuge und Piloten hatte man keine militärische Verwendung mehr. Die Abteilung Flug der K+W wurde auf 60 Mitarbeiter verkleinert, baute bis 1931 jedoch weitere Serien der Doppeldecker DH-3 (109 Stück) und DH-5 (83 Stück).
1922 konnte die grosse Flughalle für die Endmontage der Flugzeuge in Betrieb genommen werden. Die Allmend wurde von Bauern, Spaziergängern, Artilleristen, Reitern und Fliegern derart intensiv genutzt, dass die Militärbehörden mehrmals – allerdings erfolglos – versuchten, den Flugplatz in Richtung Burgerallmend zu verschieben.
Ein schwarzer Tag für die Thuner Flugzeugentwicklung war der 25. Januar 1928, als der beliebte Einflieger Max Cartier (1896–1928) beim Absturz des Prototyps M-8a ums Leben kam. August Haefeli verliess die K+W noch im selben Jahr. Unter neuer Leitung wurden in Thun noch rund zehn Jahre lang Flugzeuge gebaut, jedoch fast ausschliesslich französische und holländische Lizenzbauten. Erst 1939 wurde wieder ein Flugzeug in Thun entwickelt, die C-36, ein einmotoriges Ganzmetallflugzeug. Den Serienbau erlebte die K+W Thun allerdings nicht mehr, denn 1940 wurde der Flugzeugbau von Thun nach Emmen verlegt; 1955 wurde auch der Militärflugplatz Thun aufgehoben.23