Bernhard Luginbühl liess sich 1962 bei der Gestaltung der Plastik «Das wehrhafte Handwerk» vom Schlossberg inspirieren. Im «Thuner Tagblatt» zeigte er sich beeindruckt vom «mächtigen, mit dem Berg wie verwachsenen Schloss, von der Ringmauer und ihren Türmen. Wenn man aufsteigt in den Rittersaal, bewundert man die ausgewählten Waffen als Zeugen alten Kunsthandwerks. Es reizte mich, dieses wehrhaft Kräftige neu zu gestalten.» Die Eisenplastik stand ursprünglich am Sternenplatz und wurde 2011 an den Uferweg versetzt.
Büchsenöffner und Brezeleisen: Kunst im öffentlichen Raum
Anna BählerIn Thun entstanden im Lauf der letzten 100 Jahre zahlreiche Kunstobjekte im öffentlichen Raum. Bis etwa 1960 dominierten Wandarbeiten wie grossflächige Malereien, Mosaike, Reliefs oder Glasfenster, die der Ausschmückung von Gebäuden dienten. Auch figürliche Plastiken wurden aufgestellt, so zum Beispiel 1947 das «Régiepferd» von Hans Eduard Bühler (1893–1967) an der Schwäbispromenade oder 1962 das «Mädchen mit der Ziege» von Heinz Schwarz (1920–1994) beim Lachenkanal. Bald hielten auch abstrakte Kunstwerke Einzug in die Stadt. Die Eisenplastik von Leo Leuppi (1893– 1972), die sich seit 1955 an der Fassade der Migros im Unterbälliz befindet, löste noch kaum Reaktionen aus. Dies änderte sich, als 1962 Bernhard Luginbühl (1929–2011) den Wettbewerb für ein Kunstwerk beim Sternenplatz gewann. Die sechs Meter hohe Eisenplastik «Das wehrhafte Handwerk» sorgte für eine intensive Leserbriefdebatte, teilweise in Gedichtform. Ein Schreiber beispielsweise stellte die Frage: «isch’s ds Standbild vome Komunischt?», die er gleich selbst beantwortete: «Uf all Fäu, isch’s e grosse Mischt».36 Ein anderer apostrophierte das Kunstwerk als «Büchsenöffner»37 – ein Übername, der lange haften blieb. Über die abstrakte Eisenplastik von Walter «Pips» Vögeli (1929–2009), die seit 1965 die Westfassade der Berner Kantonalbank ziert, spottete ein Bänkelsänger gleich an der Eröffnungsfeier des Gebäudes: «Zwoo Froue luege stuur / zur KB-Kunschtfigur / u rate wäg däm Bildwärch iifrig här und hie... / Da seit du d’ Lisebeth / uf einisch lut zur Greth: / Das muess es chöstlichs Brätzeli-Yse si.»38
An Kunst, die sich beim Betrachten nicht auf Anhieb erschliesst, mussten sich die Thunerinnen und Thuner gewöhnen. Heute fördert die Kulturabteilung der Stadt Kunstprojekte, die nicht bloss der Ausschmückung eines Gebäudes oder eines Platzes dienen, sondern Bezüge zwischen Stadt, Architektur und Kunst schaffen. Ein Beispiel dafür ist das interaktive Projekt «MySouvenir.ch» von Dominik Stauch (geb. 1962) und Paul Le Grand (geb. 1949). Seit 2005 können alle Interessierten auf einer Webseite mitbestimmen, in welchen Farben die sechs Fahnen auf dem Aarefeldplatz im Wind wehen sollen. Nicht zu beeinflussen ist hingegen das Kunstwerk «Festgeldanlage» der AEK Bank: Der Künstler Reto Leibundgut (geb. 1966) walzte 2006 auf einem Parkfeld der Bankfiliale an der Hofstettenstrasse exakt 1826 Schweizer Münzen ein, die zusammengezählt die Summe von 1826 Franken ergeben – eine Referenz an das Gründungsjahr des Unternehmens. Herausklauben lassen sie sich nicht, auch wenn dies schon oft versucht wurde. Solche Kunstprojekte im öffentlichen Raum sind ein wichtiger Teil des kulturellen Lebens einer Stadt. Sie exponieren sich im Spannungsfeld verschiedenster Interessen, Werthaltungen und politischer Positionen und regen zur differenzierten Wahrnehmung und zum kritischen Hinterfragen des Stadtraums und der Stadtentwicklung an.39