Politische und rechtliche Organisation
1384 war Thun durch Kauf unter bernische Herrschaft gelangt. Seither übte Bern seine Macht über den Thuner Schultheissen aus, der aber Berner Patrizier war und aus der Mitte des bernischen Grossen Rats gewählt wurde. Er war Thuner Schultheiss und Landvogt des Oberamtes Thun in Personalunion und bekleidete dieses Amt in der Regel sechs Jahre lang. In der Stadt Thun fungierte der Schultheiss als Stadtoberhaupt, die Stadt regierte sich und das die Stadt umgebende Burgernziel aber weitgehend autonom. Einen vergleichbaren Status hatten etwa die bernischen Untertanenstädte Aarberg, Burgdorf oder Nidau.
Die städtischen Behörden wurden von Thuner Burgern gestellt. Der Thuner Grosse Rat zählte zunächst 60 Mitglieder, ab 1764 waren es noch 40, dem Kleinen Rat gehörten 12 Mitglieder an. Der Kleine Rat wurde von Bern auf einen Dreiervorschlag Thuns hin gewählt. Der Venner, der Säckelmeister und der Spitalvogt waren Kleinräte. Der Venner konnte den Schultheissen vertreten und war damit der ranghöchste Thuner. Da noch keine Gewaltentrennung existierte, war der Thuner Kleine Rat unter dem Vorsitz des Thuner Schultheissen zugleich das Stadtgericht und übte somit sowohl die niedere wie auch die hohe Gerichtsbarkeit aus, wobei letztere seit der Mitte des 18. Jahrhunderts eingeschränkt war. Bern hatte nämlich im Falle eines Todesurteils das Begnadigungsrecht und musste alle Einsätze des Scharfrichters genehmigen.2
Die Karte zeigt die bernische Landesverwaltung in der Landvogtei (Amt) Thun bis 1798. Im Thuner Stadtbezirk und in ihrem Burgernziel sowie im Stadtgericht wurde die Gerichtsbarkeit vom Thuner Schultheissen und der Stadt Thun gemeinsam ausgeübt. Die hohen Gerichte hatte Bern inne. Der Thuner Galgen stand am Weg nach Bern, gut sichtbar von Land und Wasser.
Die niedere Gerichtsbarkeit, die vor allem Zivilrechtliches umfasste, übte die Stadt Thun auch in ihrer Spitalherrschaft Uetendorf und nach 1783 in Gurzelen aus. Zur Verwaltungs- und Gerichtskompetenz des Schultheissen gehörte das Amt Thun rechts und links der Aare.
Die übrigen Verwaltungsbeamten, wie beispielsweise der Waisenvogt oder der Verwalter der städtischen Stiftungen, der Spendvogt, waren Mitglieder des Thuner Grossen Rats. In den bernischen Grossen Rat und damit in die Regierung der Stadt und Republik Bern konnten Thuner Burger aber nicht gewählt werden, weil dies den Berner Burgern vorbehalten war.3 Seit der Reformation gab es in der Stadt auch ein Sittengericht (Chorgericht), das ebenfalls unter dem Vorsitz des Thuner Schultheissen stand. Es setzte sich zusammen aus dem Venner und 12 Beisitzern, nämlich den beiden Stadtpfarrern, Thuner Magistraten und je einem Chorrichter aus dem Gericht Steffisburg und dem Amt Oberhofen sowie dem Stadtschreiber.4
Die Republik Bern unterhielt kein stehendes Heer, alle Männer zwischen 16 und 60 waren jedoch wehrpflichtig. Organisiert war die bernische Miliz in 21 Regimentern, darunter das 13. Regiment aus Thun. Die Ausbildung der Schützen oblag den Schützengesellschaften. Die Inspektionen der Milizarmee, die sogenannten Musterungen, fanden bereits in der frühen Neuzeit auf der Allmend statt. Waffen und Uniform mussten die Wehrmänner seit jeher selbst kaufen. Zudem diente das Rathaus als Zeughaus mit Reserve- und Korpsmaterial und im Schloss gab es ein Depot des bernischen Zeughauses, in dem weitere Gewehre bereitgehalten wurden. Zur Ausbildung der Artillerie wurden in Bern im Winter Kurse für Offiziere und im Sommer Übungslager durchgeführt. Thuner dienten auch in fremden Diensten, die Bedeutung des Solddienstes nahm jedoch gegen Ende des 18. Jahrhunderts kontinuierlich ab.5