Das Ende der Mediation und der Oberländer Aufstand von 1814
Im Oktober 1813 wurde Napoleon in der Völkerschlacht bei Leipzig geschlagen. Als danach die Alliierten gegen den Rhein vorrückten, ging die Mediationszeit in der Schweiz zu Ende. Die bernische Regierung dankte am 23. Dezember 1813 ab, als die österreichischen Truppen in Bern einrückten. Am nächsten Tag befahlen Schultheiss, Räte und Burger der Stadt und Republik Bern, die alliierten Truppen freundschaftlich aufzunehmen. Ausserdem versuchten sie, mit einem Aufruf zu Ruhe und Ordnung, der auch für die ehemaligen Untertanengebiete Aargau und Waadt galt, diese zwei neuen Kantone wieder dem Kanton Bern einzuverleiben. Weil die beiden jungen Kantone heftig Widerstand leisteten, musste Bern schliesslich am Wiener Kongress (1814–1815) auf diese ehemaligen Territorien verzichten, wurde aber mit dem früheren Fürstbistum Basel entschädigt, welches das Gebiet des heutigen Kantons Jura und den Berner Jura umfasste. Der ehemalige Kanton Oberland hingegen, der bereits am Ende der Helvetik wieder zu Bern gekommen war, blieb bernisch.
Im Berner Oberland gab es auch während der Mediation zahlreiche sogenannte Patrioten, die für eine repräsentative Demokratie wie zur Zeit der Helvetik eintraten. Die Berner Regierung richtete deshalb ein umfangreiches Spitzelsystem ein. Die erneute Machtübernahme der Patrizier Ende Dezember 1813 liess die oppositionellen Kräfte erstarken. Diese regten sich vor allem auf dem Bödeli, im Niedersimmental und in Thun. Zudem bestanden Kontakte bis ins Emmental.49 Die Landschaft fühlte sich insbesondere im Grossen Rat nicht wirklich vertreten. Als der Oberamtmann von Interlaken, Gottlieb von May (1758–1829), im August einige Anführer der Patrioten verhaften liess, kam es zu Tumulten. In einer schriftlichen «Vorstellung» wurde die Freilassung der verhafteten Oberländer verlangt und gefordert, dass «in der Regierung die Repräsentation des Volkes festgesetzt und die Gleichheit der politischen Rechte konstituiert» werde.50 Sämtliche Vermittlungsversuche scheiterten an der unnachgiebigen Haltung der Regierung. Die Thuner Patrioten hatten Samuel Koch (1786–1848), einen Vetter von Friedrich und Karl Koch, ins Bödeli geschickt, um sich zu informieren. Laut der späteren Anklageschrift soll Koch jedoch den Aufständischen auf dem Bödeli seine Unterstützung zugesagt haben.
Die Regierung entsandte Truppen und liess alle Anführer der Patrioten im Oberland verhaften. In Thun wurden Samuel Koch, Ratsherr Friedrich Koch und Grossrat Rudolf Eggimann (1779–1858) festgenommen. Sie und weitere Beteiligte, nämlich Rechtsagent Samuel Tschaggeni (1770–1837), Müller Samuel Zürcher (geb. 1770), Christian Küpfer (geb. 1786) und Jakob Knechtenhofer (1766–1828) wurden im Oktober 1814 nach einem Prozess vor dem Amtsgericht zu äusserst harten Strafen verurteilt: mehrjährige Haftstrafen für die Anführer, Hausarrest für weitere Beteiligte, Verlust der bürgerlichen Ehre und Entsetzung aller öffentlichen Ämter sowie die Übernahme der Kosten für den Prozess und für die Entsendung des Militärs. Die Angeklagten wurden von Karl Koch und dem Juristen Professor Samuel Ludwig Schnell (1775–1849) verteidigt, die jedoch die Verurteilungen nicht verhindern konnten. 1816 schlugen die Thuner Friedrich Koch, inzwischen bereits wieder Mitglied des Thuner Grossen Rats, erneut für den Kleinen Rat vor. Bern erklärte diesen daraufhin als nicht wählbar. Lohner würdigte Friedrich Koch in seiner Chronik als einen «der eifrigsten Bürger für das Gedeihen seiner Vaterstadt». Die Verurteilten wurden erst 1832, nach dem liberalen Umsturz, offiziell rehabilitiert.51
Politisch wurden 1813 die Verhältnisse vor 1798 weitgehend wiederhergestellt. Ein Zugeständnis war die Aufnahme von 99 Vertretern der Landschaft in den Grossen Rat. Allerdings war das Wahlverfahren komplex. Die Thuner Karl Koch und Johann Ulrich Erb (1768–1849) wurden in den Grossen Rat gewählt. Gewisse Angehörige der helvetischen Führungselite machten in der Mediation Karriere und bekleideten auch nach deren Ende politische Ämter, beispielsweise die beiden Grossräte Koch und Erb. Im Übrigen war der kurze partielle Elitewechsel während der Helvetik aber nicht nachhaltig. Bereits in der Mediation und vermehrt ab 1815 hatte der Kanton Bern wieder dieselben politischen Führungsschichten wie im Ancien Régime.52 Auch der Kleine Stadtrat von Thun setzte sich während der Mediation wie nach deren Ende aus Angehörigen der gleichen burgerlichen Familien zusammen wie vor 1798. Die nachhaltigste Folge der Revolutionszeit war, dass Thuner Bürger nun definitiv auch in die Kantonsregierung gewählt werden konnten. Die Zeit der alleinigen Herrschaft der Stadt Bern war 1798 endgültig vorbei.
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Fisch, 1814