Kadetten beim Seilziehen an den eidgenössischen Kadettentagen in Thun, 1962. Die Kadettenvereine schlossen sich 1936 in Vevey zu einem eidgenössischen Verband zusammen. In der Folge massen sie sich an den unregelmässig stattfindenden Kadettentagen in verschiedenen Sportarten. Fotografie von Hans Dubach.
Die erfolgreiche Wandlung des Kadettenkorps
Andrea SchüpbachErste Knabenexerzierkorps entstanden 1759 an den Waisenhäusern in Bern und Zürich, ein erstes Kadettenkorps 1787 in Zürich. In Thun wurde 1815 erstmals eine derartige Organisation gegründet, sie löste sich aber wieder auf. Mit der Einrichtung des Progymnasiums gelang 1839 die Neugründung als Schulkorps, dem sämtliche Progymnasiasten angehörten. Das Kadettenkorps führte die im Stundenplan vorgeschriebenen militärischen Übungen durch, welche die männliche Jugend auf den späteren Militärdienst vorbereiten sollten. Der Eintritt ins Korps erfolgte ab dem 9. Altersjahr, Primarschüler durften ein Aufnahmegesuch stellen. Ihre Gewehre erhielten die Schüler des Progymnasiums von der Erziehungsdirektion. Die Ausbildung bestand in Gewehr- und Gefechtsübungen, Zugs- und Pelotonschulen und Manövern. Die Kadetten unterstanden der Schulkommission, schlechtes Betragen in der Schule konnte mit der Degradation der Kadettenkader geahndet werden. 1859 wurde eine erste Kadettenmusik gegründet.38
In den 1870er-Jahren löste der Turnunterricht an der Schule die militärischen Übungen ab. Einige Korps wurden daraufhin aufgehoben, in Thun sank der Bestand der Kadetten. Während des Ersten Weltkriegs gerieten die Korps ins Kreuzfeuer der Kritik. Die Abgeordneten der bernischen Mittelschulen und Kadettenkommissionen warfen 1917 die Frage nach der Abschaffung der Korps oder der kompletten Umwandlung des Militärunterrichts in Turnstunden auf. Das Obligatorium für Mittelschüler leuchtete ihnen nicht ein, wo doch auch die Primarschüler später Soldaten wurden; generell hielten sie Waffenübungen mit zehnjährigen Jungen für sinnlos. In Thun reagierte man auf diese Kritik mit der Abschaffung der Gefechte. Der 1919 eingeführte Turnunterricht wandelte das Kadettenkorps zu einer Sportorganisation um. In den 1920er-Jahren wurde schliesslich die allgemeine Schiesspflicht aufgehoben, nur ältere Schüler nahmen noch freiwillig am Schiessen teil. 1925 schaffte das Korps auch die 1897 gegründete Artilleriesektion ab.39
1972 regelte der Bund den Turnunterricht im Bundesgesetz über Turnen und Sport neu. Die finanzielle Unterstützung der Korps entfiel. Die seit 1941 im Rahmen des Kadettenunterrichts abgehaltene dritte Turnstunde wurde in den Stundenplan integriert, das Kadettentraining verlor seine Funktion als militärischer Vorunterricht. Doch das Thuner Korps wusste sich anzupassen. Es hob das Obligatorium auf und bot neue Wahlfachsportarten an: Schwimmen, Orientierungslauf, Handball, Fussball oder Leichtathletik für die oberen Jahrgänge. Damit unterschied sich der Kadettenunterricht nicht mehr vom freiwilligen Schulsport. Ab 1979 durften auch Mädchen dem Kadettenkorps beitreten. Die bereits im 16. Jahrhundert erwähnten Thuner Armbrustschützen sind heute ins Korps eingegliedert.40
Die Kadettenkorps kamen mehrmals in ihrer Geschichte unter Beschuss. Die Thuner Kadetten verstanden es jedes Mal, sich neu auszurichten. Die rechtzeitige Abkehr vom Militärischen sicherte letztlich ihren Fortbestand. Sie bestreiten bis heute einen grossen Teil des Festprogramms des Thuner Ausschiessets. Der Kadettenunterricht erhebt den Anspruch, die geistige und körperliche Entwicklung sowie das Gemeinschaftsverständnis der Teilnehmer zu fördern.41