Es wird eng: das Bevölkerungswachstum
1798 lebten in Thun 1566 Personen. In dieser Zahl nicht inbegriffen sind die Einwohnerinnen und Einwohner von Goldiwil und Strättligen, die beiden Gemeinden schlossen sich erst 1913 beziehungsweise 1920 mit der Stadt Thun zusammen. Hätte sich die Stadtbevölkerung 1798 auf dem Bälliz versammelt, hätte jede Person eine Fläche von über 34 Quadratmetern für sich beanspruchen können. Wäre die Versammlung 2017 wiederholt worden, hätte sich jede Einwohnerin und jeder Einwohner – nun auch jene aus Strättligen und Goldiwil – mit wenig mehr als einem Quadratmeter Platz auf der Aareinsel begnügen müssen. Was dieses kleine Gedankenexperiment veranschaulicht, ist ein Bevölkerungswachstum, das im Verlauf von etwas mehr als 200 Jahren zu einer Vervielfachung der Einwohnerzahl mit dem Faktor 28 geführt hat.
1850 hatten Thun und Biel fast gleich viele Einwohner. Danach führte in Biel die aufkommende Uhrenindustrie zu einem starken Bevölkerungswachstum, das erst mit der Krise Mitte der 1970er-Jahre jäh einbrach. In Thun verlief das Bevölkerungswachstum leichmässiger und moderater.
Die Wirtschaft der Stadt hing grossenteils vom Bund ab, einem weniger konjunkturanfälligen Auftrag- und Arbeitgeber. Im Vergleich zu Burgdorf, das bis um die Wende zum 20. Jahrhundert in etwa dasselbe Wachstumstempo aufwies, wuchs Thun dank der Expansion grosser Industriebetriebe während der Weltkriege schneller.
Das Bevölkerungswachstum hing von der wirtschaftlichen und baulichen Entwicklung Thuns ab. 1818 zählte die Stadt 1936 Einwohnerinnen und Einwohner, bis 1846 stieg die Zahl auf 3213. Die Eröffnung der Eisenbahnstrecke Bern–Thun 1859 sowie der eidgenössischen Betriebe und ihrer Zulieferunternehmen in den 1860er-Jahren bewirkte nur für kurze Zeit ein Bevölkerungswachstum. In den 1880er-Jahren kam es aufgrund der Wirtschaftskrise, die sich im ganzen Kanton ausbreitete, zu einer Stagnation. Erst nach 1890 setzte ein bis 1971 ungebrochen starkes Bevölkerungswachstum ein, beflügelt durch den Aufschwung der Industrie in der Stadt. Mit einem Wachstum von 58 Prozent im Zeitraum 1950– 1990 lag Thun, das nun auch Goldiwil und Strättligen umfasste, weit über dem Kantonsdurchschnitt von 28 Prozent. Den höchsten Bevölkerungsanstieg verzeichnete die Stadt in der Hochkonjunkturphase zwischen 1960 und 1970. Platz fand die wachsende Bevölkerung in den Überbauungen im Westquartier und in Strättligen. Nach der Wirtschaftskrise von 1973 gingen zahlreiche Arbeitsplätze verloren und die Bevölkerungszahl verharrte auf einem konstanten Niveau. Mitte der 1980er-Jahre setzte das Wachstum dank Diversifizierung der Wirtschaft und verdichtetem Bauen wieder ein. 2017 lebten 44 430 Menschen in Thun.1